Unglaublich, dieser Glaube
Da glaubt man doch vollen Ernstes, mit einem einzigen Wisch die Welt verbessern zu können. Grosskonzerne sollen jetzt gerade stehen. Lange haben wir sie ihr Imperium aufbauen lassen und waren froh, wenn sie sich in der Schweiz niederliessen. Aber ab jetzt soll es keine Ausbeutungen und Vergiftungen mehr geben. Natürlich ohne dass Schweizer KMUs davon einen Schaden haben, und weiterhin alle Güter unseres Bedarfs spottbillig importiert und von Kuriersklaven nach Hause geliefert werden. Für die Untaten der Multis liefert ein Flyer dieser Tage „neue Beweise“. Das Foto ist als Montage gekennzeichnet. Illegal wird noch ein Bild aus einer alten SRF TV-Sendung mitsamt Moderator missbraucht. Wir glauben ja alles. Und die Auswirkung der Kovi-Initiative bei Annahme? Kein Kinderarbeiter in den Übersee-Diktaturen wird etwas von all dem haben. Konkurrenz ohne Konzernverantwortung springt sofort ein. Es freuen sich Beamten und Juristen, die sich an Kontrollen und Verfahren ranmachen dürfen, und Texter und Designer, die neue Compliance-Labels kreieren werden. Sicher ist die Hetze gegen Schweizer KMU’s die in der Lieferkette zu den Grosskonzernen stehen. Mein Arbeitgeber belieferte mal über diverse Zwischenkunden einen grossen US-Unterwäschehersteller mit Produktion in Thailand. Als die Arbeitsbedingungen der dortigen Näherinnen kritisiert wurden, verlagerte der Hersteller die Produktion nach Vietnam und den thailändischen Arbeiterinnen blieb die Prostitution. Mit einer Initiative der Schweiz kommt man dem nicht bei. Glaubt doch bitte nicht alles, wenn ihr eure Kreuzchen macht. Es gibt andere Wege, aber weniger bequeme.
Charlotte Kanzso, Olten
Dieser Artikel ist am 21. Oktober 2020 als Leserbrief im Oltner Tagblatt erschienen.