Ein echter Fortschritt in der Volksschule
Das wäre es, wenn der Fremdsprachenunterricht in der Primarschule abgeschafft würde. Unser System litt in den letzten Jahrzehnten unter einer Fehlplanung. Sie basierte auf der verständlichen Vorstellung, dass es ein Vorteil wäre, mit Fremsprachenunterricht in der Volksschule möglichst früh zu beginnen, besonders im Hinblick auf die beruflichen Chancen der Schüler in einer globalen Arbeitswelt. Doch der Wunsch war Theorie, in der Praxis fehlten die Voraussetzungen. Man hat nie geklärt, ob wir denn genügend Lehrkräfte haben, um Fremdsprachen auf Primarstufe zu unterrichten, und ob diese auch wirklich selber gut genug sind. Sehr viele sind es nicht. Und wenn mal eine Lehrkraft wirklich gut in Fremsprachen ist, möchte sie nach vielen Jahren oft nicht mehr nur Rudimentärstunterricht erteilen. Die Schüler sind ohnehin mit mehreren Sprachen belastet: Muttersprache zuhause, Mundart im Umgang mit Kollegen, Landessprache im Unterricht, zwei Fremdsprachen im Frühstadium. Auf der Oberstufe angelangt, beherrschen sie die jeweilige Landessprache zu schlecht, um gute Chancen für Beruf und Weiterbildung zu haben. Daneben kommen andere wichtige Fächer zu kurz, zum Beispiel Informatik auf Sekundarstufe. Meine KV-Lehrlinge hatten dann die grösste Mühe, eine Email von wenigen Zeilen auf Englisch oder Französisch zu verfassen oder einen Telefonanruf zu beantworten. Weltweit sind wir im Nachteil gegenüber Schülern, die nur mit einer Sprache gründlich anfangen und im reiferen Alter mit weiteren, oft fakultativ. Die Schüler, die können und wollen, macht es dann auch stolz. Jeder Schritt in diese Richtung ist mutig und ein echter Fortschritt.
Charlotte Kanzso, Olten Der Beitrag erschien am 21. Juni 2024 als Leserbrief